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Sexueller Missbrauch - Eigene Bedürfnisse über das Leben anderer stellen

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Sexueller Missbrauch an Kindern ist feige und unverantwortlich - die Strafen dafür, für viele zu gering. Die Täter gehen, die Folgen bleiben ein Leben lang. Wir geben dir recht, mit Gerechtigkeit hat dies nichts zu tun. Dennoch liegt es bei dir, ob du dich deinem Täter auch heute noch ergibst oder ob du ihm die Macht über dich entziehst. Gib dich bitte nicht auf, du hast vieles in der eigenen Hand. Wir hätten auch noch helfende Hände für dich. Wenn du magst.

Auch wenn der Startschuss ins Leben für dich erschwert wurde, so kannst du dein Rennen dennoch gewinnen. Wir wünschen dir alles Gute.

"Angefangen hat meine Geschichte als wir 2000 nach Steinheim gezogen sind. Meine Familie hatte einen Traum, ein eigenes Haus zu bauen und so taten sie es auch. Wir fühlten uns wohl. Ich war damals 6 Jahre alt, habe viele nette Kinder im neuen Ort kennen gelernt, kam auf die Grundschule und die schönste Zeit unseren Lebens sollte beginnen. Nur der Schein trübte, denn ein paar Häuser weiter, in einer anderen Straße entfernt, begann für mich ein 6 Jahre langer Albtraum. Der " Mann" der in diesem Haus selbst als Vater dreier Kinder wohnte, nutze jede Gelegenheit aus, um mein kindliches Wesen für seine sexuellen Bedürfnisse zu nutzen. Je näher er mir kam und je öfter und mehr er mich in seinem Bann hatte, desto mehr hatte er mich in der Hand.

Jahre vergingen, in der Grundschule wurde ich auffällig, konnte mich nicht mehr konzentrieren. Ich ging nicht mehr raus, versteckte mich vor anderen Kindern. Geburtstage, Weihnachten, Festtage - alles verging und niemand bemerkte, was eigentlich nur ein paar Häuser weiter mit mir jedes Mal aufs Neue abgespielt wurde. Ich war sehr einsam, er hatte mich in der Hand und ich wurde zum Schweigen gezwungen. Kein Wort sollte ich darüber verlieren, kein Mensch sollte etwas bemerken. Und so war es auch. Jahrelang habe ich das ausgehalten, geschwiegen, meine Maske aufgesetzt - so wie er es mir befohlen hatte - aus Angst. Ich wurde von Jahr zu Jahr auffälliger, konnte meine Maske nicht mehr lange halten, mein Verhalten zeigte sich in Aggressionen, Wutausbrüchen, Traurigkeit und tiefste Verzweiflung. Meine Eltern konnten mein Verhalten nicht erklären, waren ratlos und wussten leider sehr oft, wie sich mich bändigen konnten (kalte Dusche, im Zimmer eingesperrt, Beleidigungen, psychische und physische Gewalt musste ich ertragen). Man zeigte mir also, die Gefühle die ich habe, darf ich nicht haben und ich werde dafür bestraft. Hier lernte ich ziemlich schnell, was mich heute zu meiner Erkrankung führt.


Ich kam an mein 12. Lebensjahr. Und es kam der Sommer 2006, indem ich meiner Mutter auf meinem Bett alles anvertraute. Ich dachte, jetzt wird alles gut werden. Jetzt ist es vorbei. Aber das Schicksal meinte es anders mit mir. Es erwarteten mich viele Aussagen, bei der Polizei, Kriminalpolizei, Psychologen und Gutachtern. Ich war mit meinen 12 Jahren total überfordert. Dann endlich kam die erwartete Gerichtsverhandlung. Das Urteil: 3 Jahre auf Bewährung und 1000 Euro Schmerzensgeld ...

Das Geld musste er nie zahlen, weil er anschließend in Privatinsolvenz ging. Meine Familie und ich zogen wieder um. Wir bauten uns ein neues Leben auf, ich ging auf eine neue Schule. Durch meine mitlerweile psychische Beeinträchtigung war ich nicht mehr in der Lage, Vertrauen aufzubauen und somit soziale Kontakte zu finden. Ich blieb alleine. Als ich dachte nun endlich in Ruhe und Frieden leben zu können, kamen meine Eltern auf die Idee, sich zu trennen. Wieder ein Schicksalsschlag. Ich versuchte so gut es geht, mich aufrecht zu halten und meinen Traum, irgendwann als Altenpflegerin arbeiten zu können, weiter zuverfolgen. Dazu legte ich Ende des Sommers 2011 eine gute Fachoberschulreife hin und ging von da an auf eine Berufsschule, in der ich meinen Berufswunsch erlernen konnte. Falsch gedacht. Durch den jahrelangen Missbrauch bekam ich eine Traumafolgestörung - Körperkontakt zu Menschen war mir unmöglich. So wurde mir auch dieser Traum wieder zerstört. Das jahrelange kämpfen nützte mir nichts mehr, ich sah keine Hoffnung, war unendlich verzweifelt und kam letztendlich im Dezember 2011 in meinen ersten stationären Psychiatrieaufenthalt, der KJP in Bad Saluflen. Meine psychische Beeinträchtigung wurde immer schlimmer. Ich fing an, mich selbst zu verletzen, hatte immer wieder Selbstmordgedanken. Dies verhinderte meine Rückfahrt nach Hause, mir wurde einfach verboten, nach meinem Klinikaufenthalt wieder nach Hause zu kommen. Ich hatte mein zu Hause verloren. Erst jetzt erkannte man mir das schwere Trauma an.

Monate vergingen nach dem Klinikaufenthalt in einer Jugend-Intensiv-Wohngruppe. Zahlreiche Kriseninterventionen in Kliniken hatte ich hinter mir. Mehrere Medikamente gegen Depressionen probierten sie an mir aus. Ich war nicht mehr fähig, glücklich zu sein. Ich war nicht fähig, Freundschaften aufzubauen. Ich war nicht fähig, meine erste große Liebe zu finden. Das alles blieb wegen so einem einzigen "Mann" bei mir aus.

Heute bin ich 20 Jahre alt, lebe nur noch alleine bei meinem Vater. Seit meinem ersten Klinikaufenthalt im Jahre 2011 war ich 8 weitere Male in einer Psychiatrie. Mein letzter 4-monatiger Klinikaufenthalt endete vor 2 Monaten im GPZ in Detmold. Vor einigen Wochen erklärte mir mein Vater, dass ich hier ausziehen muss, weil für ihn meine Erkrankung nicht mehr tragbar ist. Er hält es mit mir nicht mehr aus. Nun hat mich meine komplette Familie aufgegeben. Ich bin auf der Suche nach einer eigenen kleinen Wohnung für mich, werde demnächst vom Amt leben und werde nie meinen Berufswunsch nachgehen können durch die starken Beruhigungsmittel die ich heute nehme .... wo ist da die Gerechtigkeit?
Bitte schützt eure Kinder!!!

Die eigenen Gedanken niederzuschreiben kann beim Verarbeiten schlimmer Erlebnisse weiterhelfen. Auch anderen kann der Umgang mit der persönlichen Situation Mut und Zuversicht schenken. Gerne möchten wir daher jedem die Möglichkeit geben, hier seine Gedanken mitzuteilen. Bei Interesse schreibt uns einfach unter "kontakt@impulsdialog.de".

Weiterführende Erfahrungsberichte:
Missbraucht und verschwiegen - Erfahrungsbericht
Erfahrungsbericht: Positiv leben mit Tourette und Co
Erfahrungsbericht vom lebensfrohen Ronny

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