Buchautorin Sabine Schaub berichtet regelmäßig für uns aus ihrem Leben mit der Erkrankung Morbus Crohn und teilt ihre Gedanken mit uns. Diesmal berichtet sie von der Beziehung zu ihrem Partner und der Erziehung ihrer gemeinsamen Tochter. Ein Erfahrungsbericht, der aus dem Leben gegriffen ist.
Eines möchte ich hier, gleich am Anfang, erwähnen. Ich liebe und akzeptiere meinen Mann so wie er ist. Mit all seinen Ecken und Kanten ...! Das war aber mal anders ...! Es war zu der Zeit, als ich mit mir selbst und allem um mich herum unzufrieden war.
Partnerschaft Ich meckerte, wie eine Ziege. Mein Mann erfand für mich das Wort: „Motzkolben“. Oft meckerte ich über Dinge, die ich selbst auch gerne so gemacht hätte, wie mein Mann. Zum Beispiel einfach mal fünf gerade sein lassen und sich auf die Couch legen ohne schlechtes Gewissen. Nein, so etwas konnte ich mir selbst gar nicht erlauben, ich musste doch noch alles erledigen! Ich habe meine eigenen Bedürfnisse nicht ernst genommen. Wie sollten meine Mitmenschen mich ernst nehmen, wenn selbst ich es nicht tat?
Es war für mich unverständlich, wie mein Mann so egoistisch sein konnte. Dabei weiß ich jetzt, dass es niemals Egoismus war, sondern Eigenliebe. Er schaute nach sich und dass es ihm gut ging. Da ich mich selbst nicht liebte und mit mir unzufrieden war, war ich immer im Mangel. Aufgrund dessen konnte ich mir auch nicht geben, was ich brauchte. Umso mehr erwartete ich aber auch von meinem Mann, meinen Mangel an Liebe, Aufmerksamkeit, Mitgefühl, Zuwendung, Verständnis und Vertrauen über das „normale“ Maß hinaus, zu stillen. Deshalb empfand ich eine tiefe Unzufriedenheit in unserer Partnerschaft. Er gab mir nie genug. Ich war sein „Energiefresser“!
Er war nicht in der Lage mich aus diesem Mangel zu holen, zumal es sicherlich überhaupt nicht möglich war, selbst wenn er es gewollt hätte. Nur ich selbst konnte mich aus diesem Mangel holen, indem ich anfing mich selbst zu lieben (ICH BIN GUT SO, WIE ICH BIN), nach meinen Bedürfnissen zu schauen und sie dann auch zu erfüllen (SELBST-BEWUSST-SEIN), mir Respekt und Achtung zu schenken (EIGENE WERTSCHÄTZUNG) und mir zu vertrauen (SELBST-VERTRAUEN).
So kam ich aus der Erwartungshaltung gegenüber meines Mannes heraus. Sicherlich ist es in einer Partnerschaft immens wichtig, sich gegenseitig zu lieben, achten, zu respektieren, tolerieren und zu vertrauen. Das ist aber nur in einem gesunden Gleichgewicht möglich, wenn keiner von den Partnern im Mangel ist. Wie kann ich jemand lieben, wenn ich mich selbst noch nicht mal lieben kann?
Wie kann ich den Partner bewusst wahrnehmen, wenn ich mir selbst noch nicht einmal bewusst bin?
Wie kann ich meinen Partner Wertschätzen, wenn ich mich selbst nicht Wertschätze?
Und wie soll mein Partner mir vertrauen können, wenn ich mir selbst nicht vertraue?
Ein großes Thema in unserer Partnerschaft war unsere Tochter. Väter haben oft ein besseres Gespür dafür, wo Kinder im Grundschulalter noch Hilfe brauchen und wo nicht. Heute weiß ich, dass ich mich oft noch viel zu viel um unsere Tochter kümmerte. Daraus entstand wieder ein Ungleichgewicht in unserer Partnerschaft. Ich fühlte mich immer wieder wie "alleinerziehend". Dabei habe ich noch dort erzogen, wo schon lange nichts mehr zu erziehen war. Zudem nahm ich meiner Tochter damit die Luft zum Atmen. Kinder im Grundschulalter können sogar alleine überleben. Sie wissen wann sie Hunger haben und können sich selbst etwas zu essen machen. Sie wissen wann sie Durst haben und können sich selbst etwas zu trinken nehmen. Sie wissen wann sie müde sind und können selbst entscheiden wann sie schlafen gehen. Das einzige was meine Tochter noch von mir brauchte war: meine Liebe, mein Vertrauen und für sie da zu sein, wenn sie zu mir kam und um Hilfe bat. Mehr bedarf es nicht, so hätte sie sich weiterentwickeln können. Das verstand ich leider erst, als meine Tochter 10 Jahre alt war. Trotz dessen, dass ich meinen Mann als abweisend zu meiner Tochter wahrnahm und es auch des Öfteren ansprach, sehe ich heute eine sehr gute Beziehung zwischen meinem Mann und meiner Tochter. Sie hängt sehr an ihm. Also kann mein Mann doch nicht alles falsch gemacht haben, oder?
Immer wieder dachte ich, mein Mann kümmere sich nicht ausreichend um unsere Tochter. Ich machte ihm Vorwürfe. Heute weiß ich, dass Vorwürfe immer sehr schlecht sind. Wenn man z. B. sagt: "Du lobst unser Kind nicht für seine guten Leistungen in der Schule...", dann heißt es eventuell für den Mann: "Ich mache es nicht gut genug, ich mache eh alles falsch und deswegen ziehe ich mich noch mehr zurück. Soll sie doch unser Kind erziehen, wie sie es will!" Oder "Wie soll ich es können? Wenn ich als Kind selbst nie gelobt wurde?". Er meint, dass die Mutter das Kind schon über das normale Maß gelobt hat und es für völlig ausreichen hält. Oder, oder, oder ...
In jeden Fall kommt bei Vorwürfen meistens nichts Gutes heraus. Der Mann fühlt sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sehr schlecht damit. Eine gute Alternative für Vorwürfe habe ich lernen dürfen. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich sage jetzt immer: „Ich würde mir wünschen ...“ oder: „Ich hätte gerne ...“ Das kommt bei meinem Mann ganz anders an. Natürlich kann ich nicht immer davon ausgehen, dass mein Partner mir alle Wünsche erfüllt. Aber es kommt bei dem Gegenüber ganz anders an. Ich merke, dass ich durch diese „kleinen Sätze“ mehr Wünsche erfüllt bekomme. Weil es eben ein Wunsch ist und kein Vorwurf. Wer erfüllt seinem Liebsten denn nicht gerne auch mal einen Wunsch? Natürlich ist es in allen Situationen sehr wichtig, dass man sich mit Respekt behandelt. Nicht nur beim Thema Kindererziehung gibt es Vorwürfe. Was ich hier noch zum Schluss zum Thema Kindererziehung anmerken möchte ist: Es gibt für mich in der Erziehung kein richtig und kein falsch, jeder macht es so wie er es am Besten kann.
Ist denn nicht jeder selbst dafür verantwortlich, wie er mit seinem Kind umgeht? Ich denke, ja!
Jeder Partner hat seine eigene Wahrnehmung, Erfahrung und Ansichten, diese sollten wir gegenseitig akzeptieren und tolerieren. Vor allem sollten wir uns davor hüten, mit unserem Partner ums Recht zu kämpfen. Die Liebe „kämpft“ nicht! Früher dachte ich oft, es ist halt nicht mehr so wie es mal war... Daran kann ich nichts ändern. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass es enorm wichtig ist meinen Mann auch als solchen wahrzunehmen. Nicht nur als Vater unseres gemeinsamen Kindes. Wir nehmen uns nun Zeit für uns als Paar. Als unsere Tochter noch kleiner war, haben wir uns auch gemeinsame Zeiten gegönnt. Aber zu dieser Zeit habe ich sehr viel von unserer Tochter gesprochen. Das hat die Romantik natürlich im Keim erstickt. Auch organisatorische- und Alltagsthemen waren dort nicht gefragt.
Ich bin so froh, dass ich es heute schaffe, die Zeit mit meinem Mann für uns zu nutzen. Wir reden viel über uns und das tut unserer Partnerschaft sehr gut. Reden und aufmerksam zuhören, sich gegenseitig Zeit schenken erachte ich als sehr wichtig für eine erfüllte, harmonische, respektvolle Partnerschaft. Ich denke, dass sich heutzutage viele Paare einfach keine Zeit mehr für sich einräumen und wenn sie es doch mal schaffen, dann reden sie nicht wirklich miteinander. Das ist sehr schade ...
Sabine Schaub
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