Sowohl Erwachsene als auch Jugendliche berichten, dass die ersten Erfahrungen mit Pornografie (10.-15. Lebensjahr) ein emotionales Dilemma aus Abscheu, Ekel und Erregung in ihnen auslöste. Die Illusion von Intimität stellt die Grenzen von privat und öffentlich in Frage. Schamgefühle und anfängliche Unsicherheit treten meist auf und dennoch verspüren viele Menschen den Drang, sich wieder und wieder diesen „Kick“ zu holen. Doch was bewirkt das häufige Anschauen von Pornos bei dem Betrachter?
Einfluss auf die Vorstellung eines normalen Sexuallebens
Pornografie kann selbst bei Erwachsenen die Vorstellung davon beeinflussen, was normal und üblich ist. Zillmann (2004) beobachtete hierzu, dass viele Intensivnutzer von Pornos die reale Häufigkeit von Praktiken wie Anal-, Gruppen- und SM-Sex drastisch überschätzen. Dasselbe gilt auch für die Verbreitung von Affären und Geschlechtsverkehr mit häufig wechselnden Partnern ohne dauerhafte Bindung. Intensiver Konsum fördere die Überzeugung, dass der Geschlechtsverkehr mit möglichst vielen und unterschiedlichen Partnern natürlich und normal sei. Diese Fehleinschätzungen und Vorstellungen haben zur Folge, dass junge Menschen, die sehr viel Zeit mit Pornografie verbringen, einen geringeren Wunsch nach einer langfristigen Beziehung hegen. Der Aspekt des „intensiven Konsums“ ist hierbei zu beachten: Nicht jeder, der einen Porno schaut, wird gleich zu einer triebgesteuerten Person, die sich keine feste Bindung mehr wünscht.
Einfluss auf die eigene sexuelle Zufriedenheit
Besonders bei Jugendlichen hat die intensive Nutzung von Pornografie Einfluss auf die Wahrnehmung und Bewertung der eigenen sexuellen Erfahrungen. Einige junge Nutzer gaben an, dass sie Pornos nicht nur für etwas realistisch, sondern auch für nützlich halten – im Sinne von einer Lehrstunde, aus welcher man viel mitnehmen könne. Gleichzeitig steigt aber auch die sexuelle Unsicherheit und Unzufriedenheit mit der eigenen Sexualität bei sehr häufigem Konsum (Peter & Valkenburg 2008, 2009, 2010). Bei nüchterner Betrachtung der Akteure merkt man schnell: viele Brüste sind nur dank Silikonimplantaten so groß und die Penisse scheinen auch überdimensional. Da Menschen dazu neigen, sich ständig mit anderen zu vergleichen, liegt eine Unzufriedenheit schon fast auf der Hand und dies besonders bei sehr jungen Leuten, die außer ihren eigenen Körpern nur noch die Körperbilder ihrer Eltern kennen. Woher sollen sie also schon wissen, dass stilisierte Körper der Darsteller nicht der Realität entsprechen? Wer die Drehbücher all zu ernst nimmt, wird im wahren Leben schnell merken, dass die Intimität einer Partnerschaft (liebevolles Küssen etc.) nie im Porno gespielt wird, aber dennoch der wichtigste Faktor einer ausgewogenen sexuellen Bindung ist.
Einfluss von Pornografiekonsum auf die Einstellung zu sexueller Gewalt
Es gibt in der Tat zahlreiche Studien, die sich mit dem Zusammenhang von häufigem Pornokosum und der Einstellung zu sexueller Gewalt, dem Frauenbild und der Neigung zu devianter Sexualität befassen. So zeigte Allen et al. in Meta-Analysen (16 experimentelle Studien, 2.248 Probanden), dass der übersteigerte (!) Konsum von Pornografie (sowohl nicht-gewalttätiger als auch gewalttätiger) dazu führen würde, dass sexuelle Gewalt eher toleriert und unterstützt wird.
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Allerdings weist die Wirkungsforschung in diesem Gebiet einige Stolpersteine auf:
1. Möglicherweise haben pornografische Filme einen anderen Einfluss auf die Konsumenten als pornografische Bilder und Texte.
2. Ausschlaggebend für die Auswirkungen von Pornografie ist die Häufigkeit und Dauer der Nutzung. Jemand, der jeden Tag Pornos schaut, ist sicherlich anders beeinflusst als jemand, der nur gelegentlich in Kontakt damit kommt.
3. Individuelle Merkmale der Person spielen selbstverständlich auch eine große Rolle. Geschlecht, Alter, Herkunft, Bildung, soziales Umfeld und persönliche Eigenschaften sollten immer in Betracht gezogen werden.
4. Untersuchungen in diesem Gebiet sind aus rein ethischer Sicht sehr problematisch. Direkte Untersuchungen mit Minderjährigen sind nicht möglich, da der Konsum eventuell Schäden hinterlassen könnte und in Deutschland schlichtweg nicht erlaubt ist. Forschungen, die Jugendliche einschließen, werden meist mit Befragungen durchgeführt. Bei dieser Art der Erhebung von Daten spielt die subjektive Empfindung eine große Rolle und natürlich auch die Scham, sich zu einem solchen Thema zu äußern (soziale Akzeptanz).
Wie wirken sich pornographische Inhalte auf den Konsumenten aus?
Bisher konnten wir feststellen, dass der Einfluss pornografischer Inhalte sowohl vom Individuum, als auch von der Intensität des Konsums abhängt. Dennoch zeigen die "Stolpersteine", dass Untersuchungen auf dem Gebiet der Nutzung pornografischer Inhalte problematisch sind. Gesellschaftlich betrachtet ist die Nutzung von Pornos nach wie vor ein Tabuthema, weshalb auch Forscher sehr intime Facetten des Probanden untersuchen müssten. Es lassen sich demnach nur schwer individuelle Effekte nachweisen, die die Nutzung pornographischer Inhalte über einen langen Zeitraum hinweg und in Hinblick auf Verhaltens- und Wahrnehmungsveränderungen mit sich bringen. Im Folgenden sollen nun einige Theorien vorgestellt werden, die sich mit dem Einfluss von Pornographie auf die Wahrnehmung und das Verhalten beschäftigen:
- Habitualisierungshypothese
Hier wird der Gewöhnungseffekt an die Medien beschrieben. Er tritt auf, sobald ein ständiger Konsum stattfindet und aus ihm folgt, dass der Betrachter jedes Mal einen noch erregenderen Stimulus benötigt, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Ein Pornokonsument würde also immer einen noch offensichtlicheren oder eventuell sogar gewalttätigeren „Film“ sehen, um anfängliche Erregungszustände herstellen zu können.
- Sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura
Diese Theorie besagt, dass gesehene sexuelle Praktiken aus Pornos nachgeahmt werden. Besonders hoch ist die Wahrscheinlichkeit, wenn der Konsument positive Gefühle wie sexuelle Lust empfindet.
- Erregungstransfer-These
Nicht richtig abgebaute und verarbeitete Emotionen durch die Betrachtung von pornografischen Inhalten sollen laut dieser Erklärung zu aggressivem Verhalten führen. Dieser Effekt wird besonders deutlich, wenn die Person vor dem Konsum verärgert war.
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- Theorie der Exemplifikation
Glaubt man dieser Theorie, so führt der häufige Konsum von Pornografie zu einer verfälschten Realitätswahrnehmung in Bezug auf die Sexualität der allgemeinen Bevölkerung. Eher seltene Praktiken wie Gruppensex werden als normal und weit verbreitet angesehen.
- Theorie der sozialen Vergleiche
Durch eher unnatürliche Akteure in Pornos wird das eigene Selbstwertegefühl abgewertet und dieses führt im Nachhinein zu Unzufriedenheit mit der eigenen Sexualität.
- Kultivierungsthese
Dieser Hypothese zufolge werden Wertebilder aus pornografischen Filmen auf die Realität bezogen und auch übernommen. Ein Beispiel dafür wäre die Übernahme einer sexistischen Haltung gegenüber Frauen.
Pornografie wirkt beim sehr häufigen Betrachten auf verschiedenen Ebenen. Die Emotionen werden angesprochen, indem entweder positive oder negative Gefühle bei häufigem Ansehen entstehen. Wie auch schon in verschiedenen Thesen angesprochen, ist es auch möglich, dass sich die Einstellungen in Bezug auf Frauen, Partnerschaft und Sexualität ändern. Aber nicht nur die Einstellung zur Sexualität ist bei sehr intensivem Konsum wandelbar, sondern auch das sexuelle Verhalten (durch Nachahmung sexueller Praktiken etc.)
Fazit
Die sehr intensive Nutzung von Pornografie scheint offensichtlich Auswirkungen auf den Betrachter zu nehmen. Dennoch sollten bei Ihnen nicht sofort alle Alarmglocken läuten, wenn Sie selbst oder Ihr Partner ab und zu einmal zur Selbstbefriedigung einen Porno schauen. Alle beschriebenen Einflüsse beziehen sich nur auf die sehr häufige und intensive Nutzung – sind dann aber ernst zu nehmen.
Pornografie kann sich in einer Partnerschaft aber auch als nützlich erweisen, wenn sie beispielsweise auf erregende Weise das Vorspiel unterstützt. Letztendlich sollten Sie Ihren eigenen Weg finden und sich die Unterschiede von Pornografie und Realität immer wieder in Ihr Gedächtnis rufen.
Autor: Susanne Schneider (Impulsdialog)
Weiterführende Links:
Voll Porno I - Was ist Pornografie und wer nutzt sie?
Voll Porno II - Unterscheidung zwischen Porno und Real Life
Quellen:
Zillmann, D. (2004). Pornografie. In: Mangold R, Forderer P, Bente G (Hrsg.): Lehrbuch der Medienpsychologie. Hogrefe-Verlag für Psychologie. Göttingen-Bern-Toronto-Seattle S.565585.
Pastötter, J. (2008). http://sueddeutsche.de/leben/sexualverhalten-wenn-der-koerper-nichtgefaellt-1.704194
Dr.-Sommer-Studie (2009). Liebe Körper Sexualität. München: Bauer Media Grou Freitag.
Freitag, T. (2011). Pornografiekonsum - Risiken und Nebenwirkungen , In: Prä&Pro 13.Jg.1/2011, ISSN 1437-4153.
Zygowski, E. (2013). Bachelorarbeit: Generation Porno – Auswirkungen von Pornographie im Internet auf die Entwicklung von Jugendlichen, vorgelegt in der Hochschule Neubrandenburg.
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