Persönlichkeit entwickeln

Trauma - wie geht es weiter?

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Jede Krankheit ist eine Belastung für den menschlichen Körper und dessen Psyche. Wenn jedoch eine lebensbedrohliche Erkrankung diagnostiziert wird oder man einen schweren Unfall hatte, dann beschränken sich diese Belastungen nicht nur auf einen selbst, sondern verändern grundlegend das weitere Leben und das Umfeld des Betroffenen.

Was kann ich tun, wenn ich ein Trauma erlitten habe?

Eine Anfangsregel zu Beginn: In den ersten Stunden und Tagen nach dem Ereignis keine Gedanken zulassen, durch die man Selbstvorwürfe und Schuldgefühle in Bezug auf das Trauma bekommen könnte. Ein guter Rat ist es, sich abzulenken und einem Hobby, Sport oder irgendeiner anderen Tätigkeit nachzugehen, damit man nicht in einen negativen Kreislauf der Gedanken gerät. Dies ist natürlich bei einer Diagnosestellung, die in vielen Fällen schnelle medizinische Schritte und Entscheidungen erfordert, äußerst schwierig.

Dennoch, oder gerade deshalb ist es empfehlenswert, sich täglich nur einen stark begrenzten Zeitraum, etwa eine Stunde, in ruhiger Atmosphäre mit dem Thema zu beschäftigen, am besten in einem sehr rationalen Gespräch mit einer Person des Vertrauens, die gefasst mit der Situation umgehen kann. Für die ersten Tage nach der Diagnose ist eine gute Lebensführung hilfreich. Dabei sollte auf eine Routine, einen strukturierten Tagesablauf, geachtet werden. Das heißt, alle Alltagsroutinen wie bisher sind beizubehalten: Gesunde Mahlzeiten und einen angemessenen Schlaf- und Wachrhythmus sind äußert hilfreich. Vor allem aber hilft tatsächlich viel gemäßigte Bewegung wie z.B. Spazieren gehen, da hierbei der im Körper vorhandene extreme Stress am besten abgebaut werden kann.

Das hat den Hintergrund, dass der Organismus unseren Körper durch das Trauma mit Stress überflutete, der erst allmählich Stück für Stück abgebaut werden muss, um im wahrsten Sinne des Wortes einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen. Äußerst empfehlenswert ist es dabei, sich immer wieder auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren – beim Spazieren gehen die Natur, den Wind, die Sonne, Vögel bewusst wahrnehmen - und sich so wenig wie möglich gedanklich in Vergangenheit und Zukunft zu bewegen. Achtsamkeitsübungen, Atemübungen, beruhigende Musik, beruhigende Selbstgespräche können außerdem helfen.

Das Ziel dabei ist, Ruhe und Abstand zum Ereignis zu finden. Wenn es mir nicht gelingt, einen eigenen Rhythmus beizubehalten, empfiehlt es sich dringend nahestehende Personen um Unterstützung und Hilfe zu bitten. Mit anderen Menschen Zeit zu verbringen ist ohnehin äußerst ratsam, da wir Menschen im sozialen Kontakt unser angeborenes Bedürfnis nach Nähe und Schutz befriedigen können, das nach einem traumatischen Erlebnis verstärkt auftritt!
 

Was kann helfen, das emotionale Gleichgewicht so gut wie möglich wiederzuerlangen?

Zuerst ist es wichtig, die tatsächlichen Folgen der Erkrankung, den tatsächlichen Verlust nicht zu beschönigen, sondern nach und nach zu bilanzieren. Unmäßig optimistisch sein hilft meist nur in den Akutphasen.
Zu späteren Zeitpunkten steht die Stärkung des Selbstwertgefühls des Betroffenen, die emotionale Unterstützung, aber auch die Vermittlung konkreter praktischer Hilfen im Vordergrund. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die psychische Verarbeitung der Erkrankung und ihrer Folgen ist die Veränderung der Sichtweise. Was kann nun aber helfen, das emotionale Gleichgewicht so gut wie möglich wiederzuerlangen?

„Krankheit kann uns alle lehren, ein erfülltes, gesünderes Leben zu führen. Krankheit bedroht das Leben, aber sie weist auch auf, was lebenswert ist.“ sagt der Medizinsoziologe Arthur W. Frank (Frank 1991). Indem die Krankheit uns die Verletzlichkeit der menschlichen Existenz vor Augen führt, kann sie – trotz Schmerz und Leid – mehr Klarheit in die Art und Weise bringen, wie Menschen ihr Leben führen. Für Frank liegt die Chance, die eine Krankheit beinhaltet, gerade darin „zu erkennen, dass wir, obwohl die Krankheit einfach geschieht, ihre Erfahrung dazu benutzen können, unserem Leben eine Bedeutung zu geben.“ Er vertritt die Auffassung, dass „Krankheit eine Gelegenheit zur Selbstreflexion biete[t], die nur hier zu finden ist“, dennoch sei die „Krankheit […] keine Art von Erleuchtung“ (Frank 1991).

Bei der Veränderung der Sichtweise hilft vielen Betroffenen der Vergleich mit anderen Menschen, die schwere Schicksale zu tragen haben. Viele Betroffene berichten, dass sie selbst zuvor nie wahrgenommen hatten, wie viele Menschen mit einer schweren Erkrankung und deren Folgen zurechtkommen müssen. Erst durch die eigene Erkrankung eröffnet sich eine neue Sichtweise. Eine wichtige Sichtweise stellt für Viktor Frankl die Sinnfrage dar. Er stellt heraus, dass die Notwendigkeit für und die Frage nach dem Sinn („logos“) insbesondere dann entsteht, wenn der Mensch schwer leidet. Er erfuhr dies von sterbenden Menschen wie auch von Überlebenden der Konzentrationslager – ein Schicksal, was er selbst teilte (Frankl 2005, Frankl 1997). Frankl ist davon überzeugt, dass auch im Leiden noch eine Sinnmöglichkeit liegt. Der „Wille zum Sinn“ sei dabei sehr wichtig für das Menschsein. Es geht ihm dabei nicht um das Ertragen von Dingen, die zu ändern sind. Frankl sieht eine Ressource darin, dass ein Mensch im Falle starker äußerer Einschränkungen, z.B. Trauer, Gefängnis oder eben schwer Erkrankung, immer noch eine bestimmte Haltung gegenüber seinem Schicksal einnehmen könne. Dadurch könne ein Mensch „eine ausweglose Situation menschlich gesehen noch in eine Leistung verwandeln“. Die Antwort auf die Frage nach dem Sinn im Leben – und dies ist Frankl besonders wichtig – kann immer nur eine konkrete Antwort dieser Person in ihrer jetzigen Situation sein (Frankl 1997). Daraus folgt: Die Interpretation des Sinns einer Erkrankung oder Leidens kann nur die betreffende Person selbst finden. Sie kann und darf ihr nicht durch andere auferlegt werden.

Sinn ist immer individuell und abhängig von der aktuellen Situation, Werten die eine Person verwirklichen möchte und Ziele die eine Person in ihrem Leben hat.
Ein Sinn oder eine Bedeutsamkeit können helfen, eine Handlungsrichtung zu geben. Eine Bedeutung im Leben zu finden gibt dem Leben Wert und Grund. Sie kann ein Antrieb darstellen, sich emotional zu engagieren, sich einer Sache hinzugeben und neue Ziele für sich zu finden (Frankl 1997).

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Ein Kommentar

Beschreibt gut wie man mit traumatischen Erlebnissen umgehen soll.
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Ani

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