
Der Berliner Verein Behandlungszentrum für Folteropfer e.V. (bzfo), betreibt seit 2009 eine internetbasierte Traumatherapie unter dem Namen „Ilajnafsy“ (arab.: “Psychotherapie“). Diese Therapie soll Männern und Frauen aus allen arabischen Ländern helfen, mit ihren posttraumatischen Belastungsstörungen, unter anderem hervorgerufen durch Krieg, Folter oder sexuellem Missbrauch, umzugehen. In den Heimatländern der Betroffenen ist es oft schwer, psychologische Hilfe zu finden.
Psychotherapien sind zudem gesellschaftlich nicht angesehen und oftmals besteht große Scham, vor Fremden über seine Erlebnisse und Probleme zu reden.
Das Team des bzfo "Behandlungszentrum für Folteropfer Berlin) besteht aus fünf Psychologen. Alle stammen selbst aus arabischen Ländern und sind mit den kulturellen Eigenheiten sehr vertraut. Die Psychologin und Halbirakerin Nadine Weißflog behandelte zuletzt für acht Wochen einen Mann aus Lybien, der gefangen genommen und anschließend jeden Tag gefoltert wurde. Die meiste Zeit musste er in einer Zelle verbringen, die so klein war, dass er im Stehen schlafen musste. „Es war so schrecklich“, schrieb ihr der Mann in einer Mail, „dass ich keine Worte finde, um es zu beschreiben“. Mittels eines standardisierten Fragebogens wurde zu Therapiebeginn der „Grad der Traumatisierung“ ermittelt. Nach Beendigung der Therapie konnte bei dem Lybier eine Verbesserung von 80 Prozent festgestellt werden.
Das Konzept, Patienten über das Internet zu behandeln, nennt sich „Interapy“. Entwickelt wurde es in den 90er Jahren von der Universität Amsterdam und erzielte rasch große Erfolge. Verschiedene Studien bestätigen die Effizienz von Onlinetherapien. „In den Niederlanden, Großbritannien und Schweden ist man davon überzeugt – dort übernehmen die Krankenkassen die Behandlungskosten.“
Das bfzo behandelt jeden Monat 20 Patienten, kostenfrei. Die Anonymität des Internets hilft vielen Opfern sich zu öffnen, sagt Nadine Weißflog. Vor Kurzem wurde sogar eine Außenstelle des bfzo in Ägypten eröffnet, da die Nachfrage so groß war.
Die Möglichkeit über das Internet Therapie und psychologische Beratung zu nutzen, stellt eine wichtige neue Chance zur Bewältigung psychischer Belastung oder Störungen dar. Natürlich gibt es auch bei dieser Form der Behandlung Grenzen, vor allem wenn es um Krisenintervention geht. Aber Skeptikern zum Trotz, weisen die Statistiken auf, dass diese Therapieform funktioniert und viele positive Effekte mit sich bringen.
Quelle: Stuttgarter Zeitung (29.07.2014): Iris Mostegel: „Manche Mail bleibt ewig im Kopf“
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