Stigmatisierung im sozialen Umfeld erlegt vielen psychisch erkrankten Menschen eine zusätzliche Belastung auf. Es entsteht oft ein doppeltes Problem: sie müssen nicht nur die Symptome und Beeinträchtigungen ihrer Erkrankung bewältigen, sondern sehen sich mit verständnislosen, verurteilenden und sogar ablehnenden Reaktionen ihrer Mitmenschen konfrontiert.
„Ich bin in Therapie“ oder „Ich nehme Anti-Depressiva“ – solche Aussagen kommen den wenigsten Menschen leicht über die Lippen. Ein offener Umgang mit psychischen Störungen fällt auch heute noch schwer. Dabei gibt es viele Menschen, die im Laufe ihres Lebens einmal psychisch erkranken, und es ist darüber hinaus sehr wahrscheinlich, dass jeder selbst einen betroffenen Menschen in der Familie oder im Freundeskreis hat. Allein in Deutschland geht man davon aus, dass über 11% aller Menschen im Laufe ihres Lebens eine Depression erleiden. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, die Öffentlichkeit nicht nur für die jeweiligen Erkrankungen zu sensiblisieren, sondern auch auf die damit einhergehenden Stigmatisierungen aufmerksam zu machen.
Stigmatisierung und die damit verbundenen Reaktionen hält viele Menschen mitunter davon ab, sich jene Hilfe zu suchen, die sie benötigen. Zu groß ist die Angst, den Stempel „verrückt“ aufgedrückt zu bekommen und mit Vorurteilen konfrontiert zu werden. Was jedoch viele vergessen: es braucht nicht unbedingt eine klinische Diagnose, um von einer Therapie oder anderweiter psychologischer Beratung zu profitieren. Nicht jeder, der sich therapeutische Hilfe sucht, bekommt zusätzlich Medikamente. Und bei weitem nicht alle, die psychisch erkranken, werden ihr Leben lang davon beeinträchtigt sein.
Was ist ein Stigma?
Eine der ersten Definitonen des Begriffs Stigma lieferte der amerikanische Soziologe Erving Goffman in den 60er Jahren. Er bezeichnete Stigma als ein Attribut, das in hohem Maße degradierend und entwertend ist und somit eine soziale Akzeptanz erschwert oder sogar unmöglich macht. Stigmatisierung ist dabei der Prozess, bei dem ein Mensch nicht nur aufgrund einer Eigenschaft als unterschiedlich abgegrenzt wird, sondern auch auf genau diese unerwünschte Eigenschaft reduziert wird. Somit wird besonders der Unterschied zwischen dem, wie ein Mensch sein sollte, und dem, wie ein Mensch tatsächlich ist, hervorgehoben.
Im Gegensatz zu rein körperlichen Erkrankungen werden psychische Krankheiten viel öfter als selbstverschuldet angesehen – auch wenn ihnen zu einem gewissen Grad biologische Veränderungen zugrundeliegen, etwa in Form von Beeinträchtigungen des Serotonin-Systems bei depressiven Erkrankungen. Umgekehrt sind jedoch nicht alle psychischen Erkrankungen mit jenem Stigma verbunden, das ein Selbstverschulden der Erkrankung ausdrückt – etwa eine posttraumatische Belastungsstörung wird meist so verstanden, dass sie aus konkreten äußerlichen Einwirkungen wie beispielsweise Kriegs- oder Missbrauchserfahrungen hervorgeht.
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