Unser Bauchgefühl ist wie eine zusätzliche Informationsquelle, die in die kleineren und größeren Entscheidungen unseres Lebens miteinfließt. Unsere Intuition teilt uns mit, ob sich etwas stimmig anfühlt, und bedient sich dabei oftmals an Erfahrung und unbewusstem Wissen. Es gibt verschiedene Wege, seinem Bauchgefühl auch im Kopf ein Mitspracherecht einzuräumen und seine Intuition zu stärken.
Tagtäglich treffen wir kleinere und größere Entscheidungen, vom Entschluss darüber, wie wir uns kleiden und was wir essen möchten, bis hin zu den großen Fragen, ob man sich für den richtigen Studiengang entschieden hat oder ob nun ein guter Zeitpunkt ist, die Traumwohnung zu kaufen. Zusätzlich zu rationalen Pro- bzw. Contra- Überlegungen gibt es aber noch unsere Intuition, die uns sagt, ob sich etwas gefühlsmäßig stimmig anfühlt. Intuition hat viele Namen: das Bauchgefühl „der sechste Sinn“, sogar die „unbewusste Intelligenz“. Diese unterschiedlichen Begriffe meinen aber dasselbe Konstrukt: Die Fähigkeit, Urteile über bestimmte Zusammenhänge zu fällen, ohne, dass wir die Grundlage dieser Urteile richtig in Worte fassen können. Intuition bezeichnet eine Mischung aus unterbewusstem Wissen, Bedürfnissen und Werten: wir haben ein Gefühl dafür, was zu tun ist und ob etwas richtig oder falsch ist, wir wissen aber nicht, wie wir zu diesem Gefühl kommen.
Herz oder Hirn? Wie diese beiden Systeme zusammenarbeiten
Von vielen Seiten wurden wir dazu erzogen, mit Vernunft und Rationalität zu entscheiden, das Für und Wider einer Sache zu prüfen und so eine fundierte und wohlüberlegte Entscheidung zu treffen. Und doch bringt uns manchmal „ein ungutes Gefühl“ dazu, den Kurs zu ändern, uns doch für etwas anderes zu entscheiden, als wofür die harten Fakten sprechen, oder auch bereits getroffene Entscheidungen und Lebenssituationen in Frage zu stellen.
Heute herrscht längst nicht mehr die pure Vernunft. Rationalität und Intuition werden nicht mehr so sehr als zwei separate Systeme betrachtet. Psychologie, Philosophie und sogar die Wirtschaft erkennen, wie wichtig etwa die Emotionen sind, die uns bei Entscheidungsprozessen begleiten. Die innere Stimme ist in Entscheidungsprozessen eine Art zusätzliche Informationsquelle. Intuition kompensiert auf diese Weise ein gewisses Defizit: um eine bestmögliche Entscheidung zu treffen, brauchen wir viele Informationen und einen weitgefächerten Überblick an möglichen Handlungsalternativen. In der Realität ist das allerdings oftmals nicht der Fall. Wir können in den seltensten Fällen alle relevanten Informationen für eine Entscheidung zusammentragen. Wo dieses begrenzte Wissen aufhört, kommt die Intuition ins Spiel: bis zu einem gewissen Grad müssen wir unserer inneren Stimme vertrauen, besonders dann, wenn der Ausgang ungewiss ist.
Das lässt vor allem an die „Generation Y“ denken, der alle Türen offenstehen: noch nie hatten wir so viele Möglichkeiten wie heute. Früher waren Lebensläufe stärker von gesellschaftlichen Normen geprägt, heute sind sie viel individualisierter. Wir haben heute ein stärker ausgeprägtes Gefühl dafür, unser Leben selbst in die Hand zu nehmen, und auch die Ressourcen und nötige Mobilität, diesen Wunsch umzusetzen. Das führt jedoch oft zu Unentschlossenheit bei gleichzeitigem Zeitmangel:
"Soll ich in eine andere Stadt ziehen, ein Auslandssemester machen, das Praktikum bei Firma A oder Firma B?
Soll ich das Job-Angebot annehmen oder mich lieber noch weiter nach einer anderen Stelle umsehen?"
Die Fülle an Angeboten lässt die Situation schnell knifflig und unübersichtlich werden. Und gerade hier wird der Wunsch nach dem zusätzlichen inneren Wegweiser deutlich: in unserer individuellen Lebensgestaltung sind wir selbst diejenigen, die uns am besten kennen. Wer sich weniger von äußerlichen Erwartungen lenken lässt und vielmehr bewusst innehält, um der inneren Stimme aufmerksam zuzuhören, kann davon für verschiedene Lebensentscheidungen profitieren. Und schließlich Entscheidungen finden, die einem persönlich als Mensch entsprechen und sich stimmig anfühlen.
Wann kommt uns unser Bauchgefühl besonders zugute?
Intuition wird uns bei Entscheidungen aller Art zunutze. Unser Gehirn wäre völlig überfordert, müsste es jedes Mal aufs Neue alle Sinneseindrücke aufnehmen und alle relevanten Informationen, die in Entscheidungen einfließen, gegeneinander abwägen. Intuition ist somit ein Mechanismus, der kognitive Ressourcen für komplexere Situationen aufspart, wo sie umso mehr gebraucht werden. Entscheidungen können außerdem schneller gefällt werden, wenn wir gar nicht erst in ausgiebiges Grübeln geraten. Unsere Intuition ist hier quasi immer zur Stelle. Sie hilft uns dabei, uns weniger auf Einzelheiten zu fixieren, sondern die größeren Zusammenhänge in den Blick zu nehmen.
Außerdem eröffnet Intuition mitunter neue Perspektiven auf Problemstellungen und somit auch neue Handlungsspielräume hinsichtlich Entscheidungen. Sie wird so zu einer Triebkraft für mehr Kreativität. Geistesblitze sorgen hier für neue Erkenntnisse, anstatt immer nur aus Altbekanntem Schlüsse zu ziehen. Schließlich ist für viele Menschen Intuition auch mit einem „guten Gefühl“ bei einer Sache verbunden: wir sind zufriedener mit unseren Entscheidungen, wenn sie mit unserem Bauchgefühl übereinstimmen.
Die Grenzen der Intuition
Intuition beruht auf Expertise – das heißt, intuitives Urteilen fällt uns vor allem in jenen Bereichen leicht, in denen wir Experten sind. Intuition geht in den meisten Fällen auf Wissen zurück – Wissen, dass irgendwann einmal, irgendwo einmal erworben wurde. Unser Bauchgefühl ist somit in Wahrheit im Hirn verortet. Wer viel Erfahrung in einem Bereich gesammelt hat, hat die daraus gezogenen Erkenntnisse oft so verinnerlicht, dass keiner langen rationalen Abwägungsprozesse bedarf, sondern man bereits mit einer „aus dem Bauch heraus“ gefällten Lösung richtig liegt. Bei Einsteigern ist das allerdings nicht so – hier führt erst längeres Nachdenken und Abwägen zu erfolgreicheren Lösungen, und schlussendlich auch Versuch und Irrtum zu einem größeren Erfahrungsschatz, der die Grundlage der Intuition darstellt. Dieser Zusammenhang soll mit einem einfachen Beispiel illustriert werden: beim Fahrradfahren denken wir nicht darüber nach, wie wir das Gleichgewicht halten und wie wir den optimalen Lenkeinschlag und den perfekten Neigungswinkel, wenn wir in die Kurve biegen, berechnen können – das ist implizites Wissen, auf das wir uns verlassen. Auch wenn es sich hierbei um ein sehr simples Beispiel handelt, verhält es sich ähnlich in komplexen Situationen, etwa wenn Manager wichtige Entscheidungen hinsichtlich zukünftiger Unternehmensentwicklungen treffen oder Ärzte Diagnosen stellen und Behandlungsmöglichkeiten vorschlagen müssen. Neben den objektiven Gegebenheiten der jeweiligen Situation haben Experten die notwendige Erfahrung, um intuitiv – also weitaus ressourcen- und zeitsparender – zu einem sinnvollen Lösungsvorschlag zu gelangen.
Gleichzeitig kann dieser Erfahrungsschatz sich auch nachteilig bemerkbar machen. Gewohnheiten und Vorurteile werden so unbewusst auf neue Situationen übertragen, auch wenn sie eigentlich nicht auf die Realität zutreffen. Intuition ist also nicht in allen Situationen angebracht – vor allem dann nicht, wenn es auf spezifische Details ankommt, die keinesfalls vernachlässigt werden dürfen.
Wie kann man die eigene Intuition stärken?
Es gibt unterschiedliche Wege, dem Bauchgefühl auch im Kopf ein Mitspracherecht zuteil werden zu lassen. Eine solche Möglichkeit ist es, zwischendurch immer wieder achtsam zu sein, in die Situation „hineinzuspüren“ und sich zu fragen: fühle ich mich wohl mit dieser Lösung? Was passt, was passt nicht so gut? Bei letzterem kann man bewusst auf Ursachenforschung gehen, ehrlich mit sich selbst sein und sich fragen, welche äußeren Umstände dafür verantwortlich sein könnten und welche inneren Sorgen und Ängste einen dabei begleiten. Manchmal ist es nur Stress und Druck – hier kann es sich lohnen, weiter durchzuhalten, denn in manche Entscheidungen muss man erst „hineinwachsen“. Andere Male merkt man aber auch, dass es nicht sinnvoll ist, sich an etwas festzuklammern, nur weil man bereits damit angefangen hat. Dann kann man den Kurs ändern, bis das gute, ausgeglichene Gefühl zurückkehrt.
Eine andere Möglichkeit besteht darin, vorhandene Informationen einmal komplett zu ignorieren. Das geschieht etwa beim „darüber schlafen“ oder „sacken lassen“: man wendet sich erst einmal von der Sachlage und den damit zusammenhängenden Denkprozessen ab. Das stellt eine entspannte Auszeit dar, die Zeit und Raum für eine neue Perspektive oder einen Geistesblitz schaffen kann. Lösungen fallen einem oft gerade dann ein, wenn man über etwas völlig anderes nachdenkt. Das Gehirn arbeitet nämlich unbewusst an der Problemlösung weiter, so etwa auch im Schlaf.
Zu guter Letzt, gilt es, sich zu fragen, wann man sich auf sein Bauchgefühl verlassen kann. Erfordert die Situation wirklich eine genaue Abwägung von Pro und Contra und eine ausgiebige Recherche von Informationen, die für die Entscheidung wichtig sein könnten? Oder handelt es sich vielmehr um eine Situation, in der ein „gutes Gefühl“ auch einfach gut genug ist? So kann man sich etwa von dem Druck befreien, alle Handlungsmöglichkeiten in den Blick fassen zu müssen. Denn eine intuitive, subjektiv stimmige Lösung ist meistens nicht nur gut genug, sondern an sich gut.
Autor: Marlene Heinzle (Impulsdialog)
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