Die Einstellung, dass nur „schwache“ Menschen eine Depression erleiden können, ist weit verbreitet. Auch Karin G. (Name geändert) als starke, stets aktive Frau dachte so und gestand sich sehr lange nicht ein, was offensichtlich war – Sie litt an einer Depression und brauchte diesmal selbst Hilfe.
Sie beschreibt in Ihrem Selbstbericht, wie sie vor ihrer Therapie dachte und wie sie sich vor ihren eigenen Emotionen verschloss, um sich nicht mit dem Gefühl der Traurigkeit auseinander setzen zu müssen. Auch in ihrem Fall spielen Erfahrungen aus allen Bereichen des Lebens eine Rolle, sodass sie auch von ihrer Erziehung und ihrer eigenen Familie berichtet. Außerdem lässt sie uns an den ersten Erfahrungen in der dringend benötigten Therapie teilhaben und den Erkenntnissen, die sie daraus für sich gewann.
Vom Helfer zum Hilfsbedürftigem
„Ich hatte eigentlich gar keine Ahnung was eine Depression ist oder was sie ausmacht. Vor allem hatte ich auch kein Interesse, dies zu erfahren. Warum auch, ich dachte es betrifft mich ja nicht. Ich gehörte doch zu den Starken, die sich um die anderen kümmerten. Die eine Verantwortung haben. Aber im Hinterkopf hatte ich schon immer dieses Gefühl der Traurigkeit. Ich wollte mich nicht damit auseinandersetzen. Mit dem Gefühl, nicht zur Ruhe kommen zu dürfen.
Ich war immer am Machen, Organisieren, Planen und Aufgaben erledigen. Mittlerweile weiß ich, dass dies damals nur eine schöne Ablenkung von mir selbst war. Lieber nicht auf sich schauen, denn sonst überrennen einen womöglich noch die eigenen Emotionen. Das wollte ich lange Zeit nicht. Zur Ruhe kommen, Gefühle zuzulassen und um Himmels Willen ja nicht die Kontrolle zu verlieren. Niemanden merken lassen, wie es mir ging und was sich von meinem Gefühl her immer mehr ankündigte.
Das hat sich geändert. Es musste sich ändern. Mit Mitte 40 ging nichts mehr. Mein Gefühl … nein, meine Depression war endlich so präsent, dass ich nicht mehr wegschauen konnte. Mein Körper und mein Geist spielten nicht mehr mit. Selbst ein einfacher Alltag war plötzlich nicht mehr machbar.
Also schleppte ich mich zu einer Psychotherapie ...
Genau genommen wurde ich geschleppt: Zu einer Anlaufstelle, wo sonst ja eigentlich nur Kranke betreut werden. Hätten meine beiden Männer, mein Ehemann und mein Sohn, mich nicht mehr oder minder dahin gezwungen - es hätte sicher nochmal ein Jahr gedauert bis ich etwas für mich getan hätte. Neben diesem wohl größten Glück hatte ich auch, wie ich jetzt merke, das Glück ohne große Wartezeit in Therapie und in eine weitere Behandlung zu kommen.
In der Therapie haben wir angefangen viel aufzuarbeiten. Sehr mühsam war das. Anfänglich dachte ich auch immer, dass dies nicht weiterhilft. Es dauerte lange bis sich irgendwie Verbesserungen greifen ließen. Aber auch hier ist es nicht unbedingt das sofort Greifbare, was wichtig ist. Vielmehr ist es das, was man mit der Zeit versteht – sich selbst.
Ich bemerkte, wie mich mein Leben bereits früh prägte und wie dies bis heute noch Auswirkungen auf mich hat. Ich bin als Einzelkind bei meinen Eltern aufgewachsen. Meine Mutter war Hausfrau und mein Vater Dozent.Meine Kindheit ist mir durch den ständigen Streit meiner Eltern nicht schön in Erinnerung geblieben. Sie sind sich ständig angegangen. Ich habe mich oft gefragt, warum sie überhaupt zusammen waren. Vielleicht war es ja wegen mir – ich, das Kind, welches die Beziehung zusammenhielt oder besser gesagt, halbwegs gekittet hat.
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