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Persönlichkeitsstörung Teil 7: Anankastische (auch zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

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Im Erleben von Personen, die an einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung leiden, stehen häufig Gefühle von Zweifel oder ängstlicher Vorsicht, die sich im Verhalten über Perfektionismus, übertriebener Gewissenhaftigkeit, ständiger Kontrolle oder großer Rigidität äußern. Typisch für Betroffene mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung ist eine Starrheit im Denken und Handeln, die sich als Unflexibilität, Pedanterie und Steifheit zeigt. Das rationale Ausrichten des Verhaltens kann durch die Beschäftigung mit den eigenen Gefühlen aufgelockert werden. Impulsdialog hilft Ihnen bei der Steigerung Ihrer sozialen Kompetenzen, um den Umgang mit sich selbst und dem Umfeld positiv zu verändern.

Auf einen Blick:

1. Seite: Überblick Anankastische (auch zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

2. Seite: Häufigkeit und Therapie

3. Seite: Psychoanalyse und Kognitive Verhaltenstherapie

4. Seite: Zusammenfassung

 

Seite 1 - Überblick Anankastische (auch zwanghafte) Persönlichkeitsstörung

Arbeit und Erfolgsstreben werden dabei meist über eigenes Vergnügen oder soziale Beziehungen gestellt. Oft versuchen Betroffene, ihr Tun logisch und rational zu rechtfertigen. Emotionales bzw. affektives Verhalten anderer wird eher nicht toleriert. Es besteht eine übermäßige Beschäftigung mit Details, Strukturen und Regeln, so dass die eigentliche Aktivität oftmals in den Hintergrund tritt. Sie sind meist übermäßig leistungsorientiert und perfektionistisch. Daher erweisen sie sich im Arbeitsleben als fleißig, übermäßig gewissenhaft und übergenau, wobei der überstrenge Perfektionismus auch die Aufgabenerfüllung mitunter verhindern kann. Denn Betroffene neigen dazu, sich zu viele Aufgaben vorzunehmen und diese dann jeweils in Perfektion umzusetzen. Dies führt häufig zum Verlust des Überblickes über die Situation. Die Betroffenen leben in einem ständigen Bedürfnis nach Kontrolle. Hierbei ist es egal, ob die zu erledigenden Aufgaben wirklich wichtig sind oder nicht. Oft kann keine Priorität der Dinge ausgemacht werden, so dass wichtige Dinge ganz hinten angestellt werden und so unter gehen. Unwichtigere, kleinere Aufgaben werden vorgezogen und diesen wird dann unverhältnismäßig viel Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt. Im Erleben besteht aber auch eine Angst vor Fehlern. Diese behindert durchaus die Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen.

Im sozialen Kontakt wirken zwanghafte Personen häufig kühl und sehr rational. Die Fähigkeit zum Ausdruck von Gefühlen ist häufig vermindert. Die Anpassungsfähigkeit an die Gewohnheiten und Eigenheiten von Mitmenschen ist eingeschränkt. Vielmehr wird die eigene Prinzipien- und Normentreue auch von anderen erwartet, was zu Frustrationserleben oder Enttäuschung führen kann. Durch die hohe Ausprägung von Gewissenhaftigkeit nehmen sie gerne die Rolle des „Moralapostels“ ein. Bei sich selbst und anderen nehmen sie alles sehr genau, auf eine Kritik von Autoritätspersonen reagieren anankastische Personen meist außergewöhnlich sensibel und verletzt.

Zwanghafte Betroffene neigen zu Depression und weisen oft Symptome anderer Zwangserkrankungen auf. Die anankastische Persönlichkeisstörung ist nicht mit einer Zwangsstörung gleichzusetzen. Es können bei dieser Störung beharrliche und unerwünschte Gedanken oder Impulse auftreten, die aber nicht die Schwere einer Zwangsstörung erreichen. Unterschiede zu Zwangsstörungen sind, dass zwanghafte Persönlichkeiten keine Rituale wie Handewaschen, etc. auführen, sich ihrer Störung mehr bewusst sind und nicht den Bezug zur Realität verlieren.

Klassifizierung nach ICD


Im ICD-10 ist die anankastische (zwanghafte) Persönlichkeitsstörung mit dem Code F60.5 chiffriert. Diese Störung befindet sich im Abschnitt zu den Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen (F60 – F69; F60 stellt dabei den Bereich der spezifischen Persönlichkeitsstörungen dar).

Laut ICD-10 müssen mindestens vier der folgenden Eigenschaften oder Verhaltensweisen vorliegen, damit von einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung gesprochen werden kann:

1. Gefühle von starkem Zweifel und übermäßiger Vorsicht.

2. ständige Beschäftigung mit Details, Regeln, Listen, Ordnungen, Organisation oder Plänen.

3. Perfektionismus, der die Fertigstellung von Aufgaben behindert.

4. übermäßige Gewissenhaftigkeit und Skrupelhaftigkeit.

5. unverhältnismäßige Leistungsbezogenheit unter Vernachlässigung bis zum Verzicht auf Vergnügen und zwischenmenschliche Beziehungen.

6. übertriebene Pedanterie und Befolgung sozialer Konventionen

7. Rigidität oder Eigensinn.

8. unbegründetes Bestehen darauf, dass andere sich exakt den eigenen Gewohnheiten unterordnen oder unbegründete Abneigung dagegen, andere etwas machen zu lassen.

 

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Seite 2 - Häufigkeit und Therapie

Häufigkeit

Die Häufigkeit dieser Störung wird zwischen 1,7% und 6,4% angegeben (nach Maier, Reich, Zimmerman und Coryell). Männer sind dabei häufiger betroffen als Frauen. Die anankastische Persönlichkeitsstörung ist die häufigste Persönlichkeitsstörung unter Männern.
Die generelle Prävalenz aller Persönlichkeitsstörungen liegt bei ca. 11% der Gesamtbevölkerung und zwischen 40% und 50% von stationären Patienten.

 

Therapie

Bei der zwanghaften Persönlichkeitsstörung gilt es, ein Depressionsrisiko zu beachten. Dies gilt insbesondere dann, wenn es gravierende Umbrüche im Lebensumfeld des Betroffenen stattfinden oder der zwanghafte Persönlichkeitsstil bei der Alltagsbewältigung zu einem Scheitern führt. Hierbei kann es unumgänglich sein, den Betroffenen zu einer Psychotherapie zu motivieren, um dort eine Neubestimmung der Lebensperspektiven zu beginnen - und zwar unter Beachtung persönlicher Stile und Gewohnheiten, wenn diese für das Depressionsrisiko bedeutsam sind. Indikatoren für therapeutische Fortschritte bei zwanghaften Persönlichkeiten dürften daran abzulesen sein, ob die Betroffenen den Mut entwickeln, aktiv eine Neuorganisation eigener Lebensbedingungen anstreben.

Medikamentöse Behandlung

Bisher gibt es keine fundierten Untersuchungen darüber, ob eine psychopharmakologische Therapie die Symptomatik dauerhaft verbessern kann. Die Befunde zur Wirksamkeit einer Behandlung mit SSRI (selektive Seratonin-Wiederaufnahmehemmer)  bei depressiver Komorbidität sind widersprüchlich. Bei der Behandlung von Persönlichkeitsstörung gibt es gegenwärtig keine psychopharmakologische Standardtherapie. Deshalb wird im individuellen Fall grundsätzlich symptomorientiert vorgegangen. Das bedeutet, es wird nicht die Persönlichkeitsstörung als solche behandelt, sondern die besonders belastenden Symptome, die in Folge der Persönlichkeitsstörung vorliegen. Die Behandlung richtet sich also nach den konkreten Beschwerden im Einzelfall.



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Seite 3 - Psychoanalyse und Kognitive Verhaltenstherapie

Psychoanalyse

Als die geeignete Behandlung einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung wird von den einsichtsorientierten Verfahren vor allem die „klassische“ Psychoanalyse betrachtet (Salzman, 1989). Psychoanalytische Autoren empfehlen in der Regel eine langfristige Therapie, da die Betroffenen von Kurzzeittherapien selten hinreichend profitieren (McCullough & Maltsberger, 1995). Gruppentherapien werden meist als ungünstig oder schwierig angesehen (Bohus et al., 2004). Die psychoanalytische Therapie von Betroffenen mit einer zwanghaften Persönlichkeitsstörung wird zwar gelegentlich als schwierig beschrieben, aber angesichts der zumeist hohen Bereitschaft der Betroffenen, die Therapie erfolgreich abschließen zu wollen, kann von geringen Therapieabbrüchen ausgegangen werden. Des weiteren zeigen Studien auch von teils erheblichen Besserungen, die sich im Verlauf einer Langzeittherapie einstellen können (Stone in Liebowitz et al., 1986).


Als hilfreiche Voraussetzungen im Rahmen einer Behandlung sollten folgende Punkte Beachtung finden:
Es sollte klare Absprachen über die Regelmäßigkeit der Therapiesitzungen geben, sowie die übliche Bereitschaftserklärung des Betroffenen, über das innere Erleben, Gefühle und Gedanken frei zu sprechen. Gerade dieses dürfte aber zwanghaften Betroffenen zunächst besonders schwer fallen. Der Therapeut sollte dem wertschätzend und mit einer gewissen Flexibilisierung der eigenen Arbeitsweise entgegenkommen. Die Betroffenen bevorzugen meist eine klar strukturierte und gegenwartsbezogene Therapiearbeit (Juni & Semel, 1982). Über eine klar strukturierte Hinführung auf die Relevanz von aktuellen Themen und Problemen kann somit eingelenkt werden, falls der Betroffene sich häufig in langatmige Detailanalysen vergangener Erlebnisse und Erfahrungen verlieren zu droht (Freeman& Gunderson, 1989).

Kognitive Verhaltenstherapie

Laut Beck und Mitarbeitern (1990) kommt die kognitive Therapie der zwanghaften Struktur der Betroffenen entgegen, da von Therapiebeginn an eine klare Problemlösestruktur zugrunde liegt. Die einzelnen Sitzungen sollten gut durchstrukturiert sein und von der Möglichkeit zu Hausaufgaben sollte ausgiebig Gebrauch gemacht werden. Mit dieser „Struktur“ könne sich der Betroffene identifizieren und bringe ihn zugleich in die Lage, spezifische Probleme auszuwählen und an diesen konsequent zu arbeiten. Als wichtige Ziele in der kognitiven Verhaltenstherapie sind anzusehen, den Perfektionismus, das Schwarz-Weiß-Denken sowie die Unentschlossenheit und Zögerlichkeit der Betroffenen zu hinterfragen und allmählich zu verändern. Starre Gedanken und Verhaltensweisen beim Umgang mit Problemen sollten durch flexiblere, zielführendere Gedanken und Verhaltensweisen ersetzt werden. Dies geschiet über Verhaltensanalysen und Modelle. Außerdem wird daran gearbeitet, dass die Betroffenen ihre Gefühle besser wahrnehmen und ihr Handeln stärker an ihren Gefühle auszurichten können.

Weitere wichtige Aspekte der Psychotherapie

Insgesamt sollte betrachtet werden, dass es in der Behandlung zwanghafter Persönlichkeitsstörungen nur sehr begrenzt darum gehen sollte, den zwanghaften Stil der Betroffenen grundlegen zu verändern. Gerade die Aspekte von der ausgeprägten Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit haben in unserer heutigen Leistungsgesellschaft durchaus auch große Vorteile. Sie stellen dahingehend in besonderem Maße adaptive Lebensstile dar. Der Beachtung von kontextuellen Rahmenbedingungen sollte deshalb hier eine besondere Funktion zukommen. Durch die genaue Analyse der Lebens- und Arbeitsbedingungen sind vielleicht bereits schon entscheidende Weichenstellungen in Richtung Veränderung möglich. Dabei kann eine Motivation zur grundlegenden Veränderung von Lebensgewohnheiten gelegentlich dadurch geschaffen werden, dass die Betroffenen erkennen lernen, welche Lebensbereiche sie bisher sehr vernachlässigt haben. Auf diese könnten die Betroffenen neugierig gemacht werden, um so neue Erfahrungen zu machen. Hierbei könnte die Lebensfreude, der Spaß am Leben und auch die Bereitschaft gewisse Risiken einzugehen im Fokus stehen.


Ein weiterer wichtiger Ansatz in der Therapie ist das psychosoziale Konfliktmanagement. Zusammen mit dem Betroffenen wird festgelegt, welche prototypischen Interaktionskonflikte oder Konfliktepisoden im Privatleben oder im Beruf bestehen. Die Beziehungsgestaltung zu den Mitmenschen wird nach und nach in den Mittelpunkt der Behandlung gerückt. Auch hier zielt das Konfliktmanagement nicht unmittelbar auf eine Veränderung der Persönlichkeitsstörung ab, sondern auf eine Verbesserung der sozialen Kompetenz. Der Umgang mit interaktionellen Konflikten und das Erlernen von alternativen Bewältigungsstrategien (Coping) ist wichtig. In der Folge dieser Veränderungen wird erwartet, dass sich mit den neuen Interaktionsmustern möglicherweise auch die Persönlichkeitseigenarten der Betroffenen ändern.



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Seite 4 - Zusammenfassung

Unter anankastischen (auch zwanghaften) Persönlichkeitsstörungen versteht man ein Verhalten, das in extremer Weise von Perfektionismus und dem übermäßigen Wunsch nach Kontrolle geprägt ist. Typisch für Menschen mit einer solchen Persönlichkeitsstörung sind eine extreme Angst vor Fehlern sowie starres Denken und Verhalten. Häufig geht die Störung mit depressiven Symptomen einher. Verschiedene Therapieansätze beziehen sich insbesondere auf die Stärkung sozialer Kompetenzen und der Förderung flexiblen Denkens und Handelns. Standardisierte medikamentöse Therapien gibt es nicht, Behandlungen mit SSRI (Selektive Serotonin Wiederaufnahmehemmer) zeigen aber bisweilen gute Erfolge. Hervorzuheben ist, dass Grundzüge der anankastischen (zwanghaften) Persönlichkeitsstörung durchaus von Vorteil sein können und in der Therapie lediglich eine Veränderung problematischer Verhaltensweisen angestrebt wird.

Quellen:

Althaus, D., Niedermeier, N., Niescken, S. (2008). Zwangsstörungen: Wenn die Sucht nach Sicherheit zur Krankheit wird. Beck: München.

Baer, L. (2007). Alles unter Kontrolle. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen überwinden. Bern: Huber.

Fiedler, P. (2007). Persönlichkeitsstörungen (6. Aufl.). Weinheim: Beltz.

Ruppert, S., Zaudig, M., Konermann, J. (2007). Zur Frage der Komorbidität von Zwangsstörung und Zwanghafter Persönlichkeitsstörung. Schattauer GmbH: Stuttgart.

 

Weiterführende Links:

Persönlichkeitsstörung Teil 1: Welche Ursachen und Auswirkungen haben sie auf unser Erleben?
Persönlichkeitsstörung Teil 2: Paranoide Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung Teil 3: Schizoide Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung Teil 4: Dissoziale Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung Teil 5: Emotional instabile Persönlichkeitsstörung (mit Borderline-Störung)
Persönlichkeitsstörung Teil 6: Histrionische Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung Teil 7: Anankastische (auch zwanghafte) Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung Teil 8: Ängstliche (vermeidende) Persönlichkeitsstörung
Persönlichkeitsstörung Teil 9: Asthenische Persönlichkeitsstörung (oder auch abhängige Persönlichkeit genannt)
Persönlichkeitsstörung Teil 10: Sonstige Persönlichkeitsstörungen wie z.B. die narzisstische Persönlichkeitsstörung

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